Mongolei Reise – 28. Juli

Der nächste morgen war friedlich. Wir schliefen so gut es ging aus. Eile weiterzukommen hatten wir nicht. Es lag nicht daran das wir keine Lust mehr hatten weiterzukommen. Nein dies war ungebrochen. Jedoch heute wartete besonders viel Arbeit auf uns. Kurz bevor wir gestern unser Zelt aufbauten, auf der suche nach einem geeignetem Platz zum übernachten, schaffte es Joshs Maschine den kompletten Gummi Mantel, der die Kette vor Schmutz und Witterung schützen sollte, mit in den Kettenkasten zu ziehen. Dies sorgte nun für unschöne Fahrgeräusche und einer unfreiwilligen Drosselung der gefühlten PS Zahl seines Gefährtes.
Mit wenig Lust und bösen Vorahnungen machten wir uns an die Reparatur. Auch dieses mal wurden wir nicht positiv überrascht. Zahlreiche Probleme durften gelöst werden. Es fing an mit einer Schraube die sich keinen Deut darum scherte ihre angestammte und wacklige Position am Motorrad zu verlassen. Eine halbe Stunde verging. Ein Mongole kam wie immer zur Hilfe. Diesmal hatten wir ein besonders grimmigen erwischt, der gar nicht erst versuchte zu kommunizieren. Er setzte sich einfach daneben und guckte zu. Ab und zu hielt er Hilfsbereit Gegenstände fest, damit sie nicht in der Gras Wüste verloren gingen. Eine Stunde später waren die größten Gummireste entfernt. Der Mongole war wieder von dannen gezogen bevor wir mit viel Mühen (und Panzertape) den Kettenkasten wieder anbringen konnten. Das erste mal das ich das erleben durfte. Erfreut endlich losfahren zu konnten machten wir uns auf den Weg.

Weiter als 500 Meter fuhren wir nicht von unserem Zeltplatz bis wir erneut halt machten. Vor uns tat sich eine große Schlucht auf. In Gedanken dachte ich „Gut das das wir gestern nach links abgebogen sind und nicht nach rechts. Die Schlucht mit dem Motorrad runter wäre nicht gut gewesen.“ Ich blicke rüber zu Josh. Er scheint ähnliches zu denken und grinst zu mir rüber. Ich erwidere es. Es ist schon erstaunlich wie viel Glück wir bis jetzt hatten.
Die Schönheit die sich vor uns auftut ist atemberaubend. Bis jetzt die schönste Stelle die ich in der Mongolei sehen durfte.

Die Tiefe ist recht beängstigend. Ich habe es nicht so mit Höhen, die mir zu nahe kommen. Josh ist da weniger zimperlich und setzt sich direkt an den Rand. Ich muss mich erst noch daran gewöhnen und näher mich vorsichtig der Schlucht. Schließlich sitze ich auch gemütlich am Abgrund und genieße den Ausblick ins Bodenlose.


Leider bleiben wir nicht lange alleine am Rand stehen. Eine Touristengruppe kommt mit einem VW-Bus. Wir vernehmen deutsche Wörter. Erfreut grüße Ich rüber. Es wird sich angeregt unterhalten. Ein Schweitzer Team kommt imposant hinzu. Sie sind mit einem Hummer H3 von der Schweiz bis hierher gefahren. Wir Tauschen unsere Erlebnisse aus. Eine aus der deutschen Gruppe fragt uns wo unser Guide ist. Wir blicken in stellenweise erstaunte Gesichter. „Ohne Guide hier durch die Mongolei in eurem alter mit Motorrädern?“ Wir nicken.

Josh beginnt von unseren weiteren Plänen zu erzählen. Als er zur der Stelle kommt, an der wir evtl. auf Pferde umsteigen werden wir belächelt. Einer fragt ob wir Reiterfahrung haben. Als wir dies verneinen habe ich das Gefühl nicht mehr erst genommen zu werden. Es juckt mich wenig. Ich wende mich ab und schaue mir die Schlucht wieder an. Ich frage mich ob es möglich ist da runter zu kommen. Ich teile den Gedanken Josh mit. Er blickt sich ebenfalls um. Ich weiß nicht mehr wem es zuerst aufgefallen ist. Rechts von uns sah es tatsächlich so aus als könnte man absteigen.
„Motorräder müssen wir stehen lassen…“ sagt Josh. Ein unbehagliches Gefühl macht sich breit. Ich schau mich um. Weit und breit nichts zu sehen ausser den Touristen und Abenteurern von eben. Ich zucke mit den Achseln. Los geht es.

Der Abstieg erwies sich als einfacher als gedacht. Kurz mache ich mir Gedanken über evtl. Sturzfluten. „Wodurch entstand eine so tiefe Schlucht? Von so einem friedlich Fluss?“ Verwerfe diese jedoch wieder schnell. Wenn kleine Bäume am Rand stehen können die mindestens 7-8 Jahre alt sind und nicht fortgerissen wurden wird es wohl nicht so schlimm sein. Unten angekommen ist es noch schöner als oben. Ich freue mich aufs Kühle nass! Endlich mal richtig waschen. Lange ist es her.

Gespannt stehe ich vor dem klaren Fluss. Er sieht kalt aus. Schnell wird die Temperatur jedoch als badetauglich befunden.

Er hat gut kraft als wir reingehen, eine Gefahr besteht jedoch nicht. Nicht mehr als Knietief, da hat die Strömung nicht viel Angriffsfläche. Lange bleiben wir auf zwei Steinen mitten im Gewässer sitzen.

Es ist eine neue Art von gefühlter Freiheit. Ich sitze mitten in einem Fluss während das Wasser scheinbar in großer Eile an mir vorbeirauscht einem unbekannten Ziel entgegen. Selbst völlig von der Zeit losgelöst bin ich mehr als zufrieden und beobachte das unruhige treiben überall um mich herum. Die Sonne wärmt mich gerade so, dass ich denke das ich keinen Sonnenbrand bekomme. Der Stein bereits auf eine angenehme Temperatur gebracht. Der Moment ist perfekt.

Erfrischt klettern wir wieder rauf. Unser zurückgelassen Ausrüstung und den Motorrädern ist kein Leid zugefügt worden. Gerade als wir losfahren wollen kommt eine neue Gruppe von Touristen. Diesmal direkt drei Kleinbusse. Schnell wollen wir uns auf den Weg machen.
Wir legen nicht gerade einen guten Abgang hin. Ich will meine Maschine rückwärts den kleinen Hang, auf dem sie stand, runter rollen lassen. Sie ist schwerer als erwartet und bringt mich um mein Gleichgewicht. Vor den Augen von mindestens 20 begeisterten Zuschauern falle ich. Die Stimmung weiter anheizend schaffe ich es auch nicht sie wieder aufzustellen. Viel zu schwer ist sie samt Gepäck. Josh hilft mir schließlich, nachdem er es geschafft hat seine eigene in eine stabile Position zu bringen. Mit hochrotem Kopf sammele ich meinen Blinker auf, der zerdeppert im Rasen liegt und richte mein Drehzahlmesser. Den krönenden Abschluss bringe ich keine Minute später. Professionell nehme ich die ersten 20 Meter bis mich ein Schlagloch erneut zu Fall bringt. Ich beginne zu Lachen. Wieso muss so etwas immer dann passieren wenn so viele Leute zu gucken? Ich erinnere an meinen Abflug am ersten Tag, wo ich mich genau vor zwei Mongolen hinlege, nachdem wir ca. eine Stunde gefahren sind, ohne dass wir irgendjemanden begegneten.
Die weitere Reise ist anfangs sehr schön. Der Weg führt an Bäumen entlang. Diese gibt es kaum in der Mongolei. Daher eine Abwechslung die gut tut. Noch ein paarmal treffen wir auf die Schlucht die sich rechts von uns befindet. Es gibt immer mehr Verkehr. Damit meine ich, dass man mal drei bis vier Autos auf einmal sieht. Später wird der Weg immer öder und verschmutzter. Gegen Mittag tut sich ein kleines eher hässliches Dörfchen vor uns auf. Es stellt sich heraus das es direkt am White Lake liegt. Von dem ist allerdings noch nichts zu sehen.
Wir haben beide Hunger und freuen uns auf ein Restaurant. Dieses gibt es jedoch nicht. Nur ein paar Geschäfte die allerlei anbieten. Wir kaufen uns viel Brot und Marmelade. Gerade als wir das zweite Geschäft verlassen steht eine kleine schwarzhaarige Mongolin vor uns. Sie spricht uns auf fließendem Englisch an. In meinem Kopf stellt sich alles quer. „Sie ist eindeutig darauf aus Touristen an Land zu ziehen“, denke ich.
Ich weiß nicht was Josh in diesem Moment empfand. Aber ich denke wir wurden beide hellhörig als wir hörten, dass sie Pferdetouren anbietet. Ich sah mich sofort auf dem Rücken eines treuen stolzen Tieres. Wir machen ihr klar das wird keine Guide Touren machen wollen sondern wenn dann Pferde kaufen. Kurz scheint sie verwirrt lächelt dann aber wieder schnell und bittet uns erstmal sie nach Hause zu begleiten um dort alles zu Besprechen. Wir heizen durchs Dorf. Ihr Mann, der hinterm dem Steuer sitzt, gibt ordentlich Gas. Es ist ein kleines Haus bestehend aus einem Raum und einem recht großen Hof mit einem Klohäuschen. Schnell verschwinde ich darin. Freudig im Privatem zu sein. Ernüchtert stehe ich vor dem „Klo“. Es besitzt keine Tür und die Kinder spielen im Hof. Zudem ist ein Plumpsklo. Der Gestank ist bestialisch.
Im Haus hat es sich Josh bereits bequem gemacht. Eine andere Reisende sitzt ihm gegenüber. Der Raum besteht aus vier Betten. Zwei auf der einen zwei auf der anderen Seite. In der Mitte liegt ein großer Teppich. Ein großes Bücheregal und einen kleinen Fernseher gibt es außerdem. Ich setzte mich auf den Boden. Es wird sich ausgetauscht. Die „andere“ gefällt mir nicht. Sie scheint verklemmt zu sein und ist eine typische „Teetante“. Eingehüllt in Bunte Tücher, Männerhaarschnitt, weite Klamotten, kaputte trockene Haut und Französin. Eine furchtbare Kombination! Sie wirkt sehr ernst als wäre sie bei der Arbeit und nicht auf reisen. Zudem beteuert sie alle paar Minuten, dass sie nicht gedenkt irgendwie Geld auszugeben.
Tunga, die kleine Mongolin die uns eingeladen hat mit zu kommen, beachtet sie kaum. Es werden viele Fragen gestellt. Woher wir kommen, was unsere weiteren Pläne sind, wie alt wir sind und so weiter. Es wird ein angenehmes Gespräch. Amara, Tungas Mann, kann kein Englisch. Deswegen dolmetscht Tunga für ihn. Wir erzählen ihm von der Idee ohne Guide mit Pferden weiter zu reisen. Er verzieht kaum eine Miene. „Habt ihr Erfahrung mit Pferden?“ fragt uns Tunga. „Wir sind beide schon mal geritten.“ antwortet Josh. Dies ist nicht gelogen. Ich saß mal mit 12 auf einer Mexikanischen Ranch für 10 Sekunden auf dem Rücken eines Pferdes was sich ein paar Schritte bewegt hat. Natürlich nicht zu vergessen meine zweimal in der Mongolei. Amara zieht die Augenbraun hoch und verweilt für einen Augenblich auf unseren Gesichtern. Dann wendet er sich seiner Tochter zu.

Schnell wird uns bewusst sie kann sich bewegen wie ein Schlangenmensch. Stolz erzählt uns Tunga das sie zu den besten ihres Alters in der Mongolei gehört. Mir wird unwohl, als sie uns ein paar ihrer Tricks zeigt. Jeden Moment bricht sie auseinander denke ich.

Wir lassen uns alle anstecken. Tungas älterer Sohn zeigt ein paar Turnübungen. Ich brenne darauf ebenfalls ein bisschen anzugeben und führe meine Turntricks vor. Grinsend setzte ich mich wieder. Sofort versuchen die Kinder alles nachzumachen. Es ist eine lustige Runde. Tunga zeigt uns voller Stolz einem Eintrag im Lonely Planet. „Vor einem Jahr war ein Mann hier der für Lonely Planet schreibt. Er hat mir damals versprochen das er mich erwähnt.“ Zugegeben ich bin leicht beeindruckt. Der Verfasser lobt Tunga und ihr „Unternehmen“ für die Liebe die sie und ihre Familie ihm entgegenbrachten.
Amara greift hinter sich. Eine 1 L Wodka Flasche kommt zum Vorschein. Mir ahnt schlimmes. Nur zu gut habe ich Erinnerung was in den Führern über die Mongolei stand. „Mongolen messen sich gerne, indem sie ihr Gegenüber unter den Tisch saufen.“ Natürlich grob ausgedrückt.
Jetzt würde man vermuten dass er kurze als Behältnis nimmt. Leider sind es recht große Plastikbecher, die er zu Hälfte füllt. Höflich bietet er der Französin etwas an. Mehr muss ich dazu nicht schreiben. Sie hilft uns nicht. Ehrfürchtig blicke ich auf den Wodka in meinem Becher. „Naja da müssen wir wohl durch“, denke ich und grinse zu Josh rüber. Wir heben den Becher und leeren ihn in einem Zu nacheinander. Er brennt ordentlich und ich versuche mir nichts anmerken zu lassen, dass dies grad außerordentlich viel auf einmal war. Zu meinem großen Bestürzen füllt er unseren Becher nach. Betrübt blicke ich in meinen Becher. Gerade erst habe ich mich schweren Herzens überwunden. Jetzt geht es wieder von vorne los. Hoch den Becher und runter. Diesmal merke ich wie es mir zu Kopf steigt. Der Wodka erfüllt meinen ganzen Körper. Ich kann in riechen als würde ich darin Baden. Ich brauche wohl nicht zu erwähnen, dass unsere Becher erneut gefüllt wurden.
Beim dritten Mal muss ich einen schweren Würgereiz unterdrücken. Ich merke wie der Alkohol seinen Tribut fordert. Mir ist schwindelig und ich bin angeheitert. Nach der fünften Runde ist die Flasche leer. Draußen dämmert es. „Zeit zum See zu fahren!“ ruft Tunga. Ich blicke sie ungläubig an. Ich bin froh wenn ich gerade stehen kann. Immer wieder kommt mir der Wodka in die Nase. Ich lege meine Hand auf Joshs Schulter und blicke ihn vielsagend an. Wir Lachen leise. „In diesem Zustand noch Motorrad fahren. Das ist doch bescheuert.“ sage ich, lache weiter und stolper zu meinem Motorrad. Mit Mühe fummel ich den Schlüssel aus meiner Tasche. Wieder sollen wir Amara folgen. Das Duell ist noch nicht zu Ende. Amara gibt diesmal richtig Gas. Wir preschen hinter ihm her und geben uns keine Blöße. Ein Blick auf die Tachonadel zeigt mir flotte 60 bis 80 km/h. Wohlgemerkt wir fahren auf keinem befestigten Weg. Schließlich verlieren wir einen Werkzeugkasten und bleiben stehen. Amara kommt zurück gerollt und steigt aus und deutet an das er fahren möchte. Josh ist begeistert, drückt ihm den Helm in die Hand und schwingt sich in den Minibus. Amara lacht und setzt sich erstaunt den Helm auf. Zugegeben waren wir die einzigen, die ich in der Mongolei mit einem Helm habe fahren sehen. Seine kleine Tochter setzt sich hinten drauf.
Josh gibt noch mehr Gas. Der Bus wackelt vor meinen Augen ordentlich durch die Gegend. Schreiend fahre ich hinterher. Amra ist mir dich auf den Fersen holt mich jedoch nicht ein. Beinahe verliere ich die Kontrolle über meine Maschine und hänge kurz schräg auf ihr. Doch das hohe Tempo stabilisiert mein Motorrad schnell. Nach 10 Minuten erreichen wir Tungas Camp. Herzlich werden wir von ihrer großen Familie begrüßt. Ihre Mutter bereitet uns etwas zu essen. Diesmal ist das Essen nicht so anstrengend wie sonst. Das zähe Fleisch beruhigt meinen vor Wodka brodelnden Magen. Gesättigt bekommen wir unsere eigene Jurte zugewiesen. Sie ist mollig warm, weil der Ofen für uns, der in der Mitte steht, bereits angemacht wurde. Glücklich lasse ich mich auf eines der vier Betten fallen. Wir haben die Jurte für uns alleine. Morgen besprechen wir wie es weiter geht.

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